Hochbetrieb in den Weihnachtspostämtern
Ans Christkind oder den Weihnachtsmann: Warum es zwei Adressen gibt
Seit Generationen schicken Kinder ihre Wunschzettel ans Christkind oder den Weihnachtsmann.
Quelle: Illustration: Patan/RND, Fotos: Pixabay, IMAGO/depositphotos
Wer am Heiligabend nicht leer ausgehen will, tut rechtzeitig seine innigsten Wünsche kund: Seit Generationen schicken Kinder ihre Wunschzettel ans Christkind oder den Weihnachtsmann. Das Land ist in zwei Lager geteilt. Kurios: Kinder in katholisch geprägten Gegenden schicken ihre Post an einen Konvertiten, der von Luther höchstselbst erfunden wurde.
Der erste Advent rückt näher, höchste Zeit also für den Wunschzettel zu Weihnachten. Viele Kinder sind eifrig dabei, ihre sehnlichsten Wünsche zu notieren. Je nach Region gehen diese eher ans Christkind oder an den Weihnachtsmann. Rund um beide Gestalten ranken sich viele Erzählungen und Traditionen. Und ihre irdischen Helferinnen und Helfer in den Weihnachtspostämtern der Deutschen Post haben in den kommenden Wochen alle Hände voll zu tun.
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70.000 Wunschzettel – so viele Briefe kommen jedes Jahr alleine beim Christkind in Himmelstadt an. „Jeder, der ans Christkind schreibt, bekommt eine Antwort“, verspricht Rosemarie Schotte. Sie ist die ehrenamtliche Leiterin dieses Weihnachtspostamts in Unterfranken. In ihrem Team hat sie knapp 40 Mitstreiter.
Schon seit 1993 ist Rosemarie Schotte dabei. Gern erinnert sie sich an die Zuschriften der Kinder, die sie Jahr für Jahr aufs Neue erfreuen. Oft sind die Wunschzettel mit handgemalten Bildern verziert, weiß sie. „Viel Mühe steckt in den Zeichnungen.“ Die Zuschriften kommen nicht nur aus der Region, sondern aus aller Welt. Und es sind große wie kleine Wünsche, die an das Christkind und den Weihnachtsmann gerichtet werden: Sie reichen von der neuen Spielekonsole bis zu Frieden in der Welt.
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Jeder Brief ans Christkind wird beantwortet
Diese Wunschzettel alle zu lesen, das ist die Hauptaufgabe des himmlischen Bodenpersonals im Himmelstädter Weihnachtspostamt. Schotte beschreibt, dass ihre Kolleginnen und Kollegen die Briefe stellvertretend für das Christkind öffnen, lesen und nach bestimmten Kriterien sortieren. Dann setzen sie den Namen des Jungen oder Mädchens auf ein standardisiertes Schreiben. „Wer möchte, darf auf die zumeist liebevoll gestalteten Schreiben der Kinder auch mit ein paar persönlichen Zeilen reagieren“, sagt sie. Dann wird die Antwort des Christkinds eingetütet, und ein Brief geht zurück auf die Reise zu Kindern.
Ganz ähnlich handhabt es auch der Weihnachtsmann, dessen treue Helfer auch in diesem Jahr wieder in Himmelpfort bei Fürstenberg an der Havel Quartier bezogen haben. Dass die Post für den gemütlichen alten Mann, der am Heiligabend traditionell in Nord- und Ostdeutschland Geschenke verteilt, in Brandenburg liegt, ist absolut konsequent. Historisch hat sich in diesen Gebieten der Protestantismus durchgesetzt. Das Christkind indes residiert postalisch in einer Region Deutschlands, die bis heute von katholischen Traditionen geprägt ist.
Das Christkind ist also der Gabenbringer für alle katholischen Jungen und Mädchen? So leicht ist es nicht, zumindest wenn man auf den Verlauf der Geschichte guckt. Das engelsgleiche Wesen mit den wallenden Locken ist eine evangelische Erfindung und später zum Katholizismus konvertiert. Es geht auf niemand Geringeren als den großen Reformator Martin Luther höchstselbst zurück. Damit kann das Christkind als der wohl prominenteste Konvertit der Kirchengeschichte gelten.
Luther machte Weihnachten zum Familienfest
Aber der Reihe nach: Heiligenverehrung, damit konnte Luther nichts anfangen. Allein Jesus Christus sollte den Menschen einen direkten Zugang zu Gottes Gnade ermöglichen. Entsprechend dieser theologischen Grundüberzeugung wetterte der Reformator dagegen, dass der heilige Nikolaus, ein legendenumwobener Bischof aus Myra, den Kindern Geschenke brachte. In seiner Predigt am 6. Dezember 1527 sagte er dem Kult rund um den katholischen Heiligen den Kampf an. Das sei doch alles ein „kyndisch ding“, klagte er. Gaben bringen sollte nur der „Heilige Christ“, und zwar am ersten Weihnachtstag.
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Das war eine Revolution. Bis jetzt wurde das Weihnachtsfest ausschließlich in der Kirche mit einer Messe gefeiert. Das war’s. Mit Luther nahm das Fest auf einmal Einzug in die Wohnstuben der Menschen. Spätestens seit dem Jahr 1531 wurde im Hause Luther im Namen dieses „Heiligen Christs“ beschert. Damit wollte der Reformator schon den Kindern begreiflich machen, dass die Geburt Jesu Gottes großes Geschenk an die Menschen sei. Die Idee verfing. Bald verselbstständigte sich seine Idee zum geflügelten Christkinderl. Zu dem Engelswesen mit den weiblichen Zügen haben Luther wahrscheinlich Krippenspiele inspiriert. Wie ein Treppenwitz der Reformationsgeschichte mutet es an, dass das Christkind sich bis heute in katholisch geprägten Landstrichen gehalten hat.
Hochsaison am Polarkreis: Warum Santa noch lange nicht in den Ruhestand gehen will...
Finnland vermarktet sich als „Heimat des Weihnachtsmanns“. Und das äußerst erfolgreich: In Rovaniemi in Lappland werden in dieser Wintersaison noch einmal zehn Prozent mehr Flugpassagiere erwartet im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Beliebt ist die Reise vor allem bei Touristen aus Fernost.
Ursprünglich jedoch reüssierte der „Heilige Christ“ nur in den Fürstentümern, die die reformatorischen Lehren annahmen – und mit politischem Druck durchsetzten. Viele protestantische Stadtverwaltungen erließen Verbote mit Blick auf das bisherige Brauchtum zum Nikolaustag. So soll etwa auf Anraten des Münsterpfarrers der Straßburger Magistrat im Jahr 1570 beschlossen haben, die Nikolausumzüge zu verbieten, um den Kindern einzuschärfen, dass nicht der Heilige, sondern das Christkind die Geschenke bringe.
Der Weihnachtsmann als säkularisierter Gabenbringer
Allein, genützt hat das alles nichts. In Nord- und Ostdeutschland dominiert heute der Weihnachtsmann. Und auch hier wird es noch einmal kurios. Ist der Mann mit dem Rauschbart doch eine neuzeitliche Adaption des Nikolaus, des katholischen Bischofs, des Heiligen, mit dem Luther so rein gar nichts anzufangen wusste. Als Sieg des Katholizismus sollte man seine Existenz jedoch nicht verbuchen, vielmehr muss der Weihnachtsmann als Symptom der fortschreitenden Entkirchlichung verstanden werden. Ein säkularisierter Gabenbringer in mehr und mehr gottesfernen Gesellschaften.
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Besuch beim Weihnachtsmann in Rovaniemi
Treffen mit dem Weihnachtsmann in Lappland: Er verrät, was er sich selbst wünscht und wie er es schafft, dass jedes Kind das richtige Geschenk bekommt
Quelle: Thomas Paterjey
Den Weihnachtsmann als Figur gibt es seit dem 19. Jahrhundert. Im Lied „Morgen kommt der Weihnachtsmann“ von Hoffmann von Fallersleben, erschienen um 1835, taucht der gemütliche alte Mann beispielsweise auf. Der Fairness halber kann noch erwähnt werden, dass sich in ihm viele, viele Einflüsse auch aus anderen Nationen vermengen. Der deutsche Weihnachtsmann ist eng verwachsen mit Santa Claus, dem Weihnachtsmann der US-Amerikaner. Viele bringen seinen roten Mantel mit Coca-Cola in Verbindung: Der Brausehersteller tourt alljährlich schließlich werbewirksam mit einem Santa-Truck durch die Lande.
Gemeinsames Geschenkeöffnen als Inbegriff von Weihnachten
Santas heutige Gestalt indes geht zu weiten Teilen auf niederländische und skandinavische Einflüsse zurück. Vor dem Hintergrund der Traditionen in diesen vornehmlich evangelisch geprägten Ländern vereint der moderne Weihnachtsmann sogar andere Gestalten wie Knecht Ruprecht, den bösen Gegenspieler von St. Nikolaus, in seiner Person. Von den fleißigen Wichteln Nordeuropas mag er seine Zipfelmütze haben, auch der von Rentieren gezogene Schlitten geht auf seine skandinavischen Familienbande zurück. Im nordfinnischen Rovaniemi, auf der Polarkreislinie, liegt ein kleines Weihnachtsmanndorf. Der ideale Ort, um den Weihnachtsmann zu treffen – das ganze Jahr hinweg. Fragt man die Finnen, sind sie sich ausnahmslos sicher: In dem Dorf, in Rovaniemi, dort wohnt der Weihnachtsmann wirklich.
Jetzt, in diesen Tagen aber, da ist der dicke Mann jedoch auch in Deutschland sehr aktiv – nicht zuletzt die Hochkonjunktur in den hiesigen Weihnachtspostämtern zeugt davon. Und kaputtzukriegen ist der Glaube an diesen und alle anderen weihnachtlichen Gabenbringer nicht – Säkularisation hin oder her. Denn ohne Geschenke zum Fest, ohne ein paar kleine geteilte Liebenswürdigkeiten, wird es für viele Menschen einfach nicht Weihnachten. Man sitzt gemeinsam zusammen, schaut den Baum an, packt nacheinander die Gaben aus. Das Ritual schafft Gemeinschaft. Weihnachten ist gerade wegen der Tradition des Schenkens und des Beschenktwerdens zu dem Familienfest geworden, das wir heute kennen und feiern. Ob nun religiös oder nicht.